Meine Tochter hat die Sek A besucht, danach wollte sie eine Lehre als Fachfrau Gesundheit beginnen. Sie fand keine Lehrstelle, bekam aber das Angebot, ein Jahr lang ein Praktikum in einem Privatspital zu machen, um danach mit der Lehre zu beginnen. Während dieses Jahres hat der Leiter der Klinik gewechselt und der neue Leiter hat meiner Tochter gesagt, sie könne die Lehre nicht antreten, weil sie ein Kopftuch trägt.
Also musste sie von Neuem anfangen, eine Lehre zu suchen, und fand schliesslich eine Lehrstelle als Kleinkinderbetreuerin in einer Kinderkrippe. Dort hatte sie eine gute Chefin, die aber in den Schwangerschaftsurlaub ging und von diesem nicht zur Arbeit zurückkehrte. Die neue Chefin, eine Deutsche, fragte meine Tochter am ersten Tag, ob sie Deutsch spreche. Sie hat ihre gesamte Schulzeit hier absolviert und spricht auch Dialekt. Eine Praktikantin, die nur Englisch sprach, bekam keine Probleme. Später hat die Chefin die Kleidung meiner Tochter beanstandet, die eher traditionell und weit geschnitten ist. Mein Sohn hat die Chefin angerufen und darauf hingewiesen, dass es keine Kleidervorschriften gibt im Lehrvertrag, zumindest keine, die diese Art von Kleidung verbieten.
Meine Tochter besucht die Berufsmittelschule, sie macht gleichzeitig die Berufsmatur und hat gute Noten. Die ständige Kritik am Arbeitsplatz, die nichts mit ihrer Arbeit zu tun hatte, setzte ihr zu. Sie wollte Zuhause nichts sagen, um mich nicht mit ihren Problemen zu belasten. Ich habe gemerkt, dass es ihr nicht gut ging und gefragt, was los ist. Sie wollte nicht mehr an diesem Ort arbeiten, aber die Lehre nicht abbrechen, weil sie sonst noch ein Jahr verloren hätte. Sie hat dann selber einen anderen Betrieb gefunden und konnte schliesslich wechseln, die Lehrzeit wurde ihr angerechnet.
Diesen August konnte sie ihr zweites Lehrjahr beginnen, die neue Stelle gefällt ihr sehr gut, die letzten vier Monate am alten Ort waren schlimm. Sie ist zuversichtlich, die Lehre am dritten Ort abschliessen und die Matur machen zu können.
Wenn ich sehe, wie meine Tochter behandelt wird, weil sie eine andere Hautfarbe und eine andere Religion hat, mache ich mir Sorgen, was aus meiner anderen Tochter werden soll, die behindert ist.
Wie wird man sie behandeln, wird sie dieselben Chancen haben wie andere Kinder? Ich fürchte, eher nicht.
Die Texte für diese Kolumne werden in Workshops unter der Leitung von Surprise und Stephan Pörtner erarbeitet. Die Illustration zur Kolumne entsteht in Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern – Design und Kunst, Studienrichtung Illustration.