Angefangen hat alles im Sommer 2018. Der heute 23-jährige Jamie Hänni leistete seinen Zivildienst im Vertrieb der Surprise-Geschäftsstelle in Basel. Bei seiner täglichen Arbeit mit den Surprise-Verkäufer*innen wurde er mit dem Thema Armut und den damit verbundenen Schicksalen konfrontiert. Sie haben ihn tief bewegt: «Der Kontakt mit den Armutsbetroffenen war anders und vor allem vielschichtiger als erwartet. Ich war tief beeindruckt von dem Humor, dem philosophischen und emotionalen Reichtum dieser Menschen.»
Schnell war dem gelernten Mediamatiker klar, dass er die einzigartigen Geschichten dieser Menschen festhalten will – in einem Kurzfilm mit zwei Verkäuferinnen und zwei Verkäufern. Als er seinen Freunden, den Filmemachern Jonas Humbel und Kern Singh, von seiner Idee erzählte, weitete sich das kleine «Zivi-Projekt» aus zu einer intensiven Produktion mit rund 40 Freiwilligen. In einer leeren Lagerhalle der Zentrale Pratteln, bauten sie Sets auf und tüftelten stundenlang an der optimalen Belichtung. Die eigens dafür komponierte Musik war Schrittmacherin des Ablaufs.
Das Schicksal in die Hand nehmen
Hänni entschied sich für eine sogenannte One-Shot-Aufnahme, also für ein Video, bei dem sich die Handlung als eine einzige zusammenhängende Szene in Echtzeit abspielt. Für das reibungslose Gelingen mussten selbst die kleinsten Details aufeinander abgestimmt werden. Beim Dreh spielten die Verkäufer*innen die schwierigste Rolle: sich selbst – und das ohne Erfahrung vor der Kamera. Beindruckend schnell und souverän meisterten sie ihre Aufgabe im Scheinwerferlicht. Ausserdem bewiesen sie grosses Durchhaltevermögen.
Entstanden ist ein 5-minütiges Filmdokument mit vier ineinander übergehenden Portraits von Menschen, die nicht immer auf der Sonnenseite des Lebens standen: Elmi, der auf der Flucht in die Schweiz seinen besten Freund verlor. Tatyana, die nur mit zahlreichen Teilzeitstellen über die Runden kommt. Zaynab, die als Kind beschnitten wurde. Und Ändu, den ein Burnout in die Alkoholsucht trieb. «Trotz allem hat mich ihre Stärke beeindruckt. Sie sind viel mehr als nur ein Produkt ihrer Geschichte», sagt Hänni. «Sie nehmen ihr Schicksal, ihr Heft, in die Hand.»