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Illustration: Christina Baeriswyl

Moumouni ..
...zu Semra Ertan

Eine Hommage an Semra Ertan.

Mein Name ist Ausländer

Und ich weiss, dass das nicht stimmt

Denn mein Vater ist Ausländer

Und hat mir Deutschland geschenkt.

Mit gebrochenem Deutsch,

Das er nicht mehr sucht zu flicken

Mit Jahren von Arbeit und Arbeit

Auf sei’m Ausländerrücken

Heute wohn ich in der Schweiz

Und mein Deutschsein macht mich

weisser als ich bin

Ich bin jeden Tag schwarz

Und weiss das schon als Kind

Ich bin jeden Tag deutsch

Und verteidig’ das seitdem

Oder eigentlich: scheiss’ ich drauf seitdem

Ich könnte überall fremd sein

Und an vielen Orten zuhause

Nationalität ist Halskrampf oder Krause,

Krücke und ein bisschen Rasieröl

Beim Reisen

Doch sie ist süss die deutsche Vita

So wie Preiselbeeren an Schnitzel

So wie krebsrot in spanischer Hitze

So wie Knäckebrot oder Pizza

Diabolo

Sie ham uns viel zu knusprig angebraten

Und im Fleischwolf sind wir Hack

Mürbe

Machen sie uns, wie den Teig

Zappzarapp Zappzarapp unsre Zeit

Mein Name ist Ausländer

Und schon so oft falsch geschrieben worden,

Schwarz auf weissem Papier

Dass mir die Bäume leid tun, die

dafür gestorben sind.

Trotzdem sitz ich auf nem Ast

Ich, die für Geld über Rassismus schreiben darf

Doch es geht um Leben und Tod

Vergessen oder vergessen werden.

Hier, wo man erst ein Feuer machen muss,

Damit sie checken, dass es brennt

Benzin ist teuer

Und man weiss nie, wie weit man kommt

Wir schlagen weiter

Wurzeln

Und der Kampf hat lang begonnen

Ruhe in Frieden, Semra Ertan

Semra Ertan war eine Dichterin und Arbeitsmigrantin aus der Türkei, die mit fünfzehn Jahren mit ihren Eltern nach Deutschland gezogen ist. Sie arbeitete als ehrenamtliche Übersetzerin für andere Gastarbeiter*innen und schrieb viele Gedichte, die von ihrem Frust über Rassismus und die zunehmende Ausländerfeindlichkeit in Deutschland handelten. Im Mai 1982 trat sie in einen Hungerstreik, um auf die Situation von türkischen Gastarbeiter*innen in der BRD aufmerksam zu machen. Zwei Wochen später, an ihrem 25. Geburtstag, übergoss sie sich auf offener Strasse in Hamburg mit Benzin und zündete sich selbst an. Am Vortag hatte sie bei deutschen Radiosendern angerufen, ihr Gedicht «Mein Name ist Ausländer» zitiert und gefordert, dass Ausländer nicht nur das Recht haben sollten, wie Menschen zu leben, sondern auch wie Menschen behandelt zu werden. Das obige Gedicht ist eine Hommage und gleichzeitig eine Antwort an Ertan, vierzig Jahre nach ihrem Tod, in einer anderen Zeit und an einem anderen Ort.