Mein Name ist Ausländer
Und ich weiss, dass das nicht stimmt
Denn mein Vater ist Ausländer
Und hat mir Deutschland geschenkt.
Mit gebrochenem Deutsch,
Das er nicht mehr sucht zu flicken
Mit Jahren von Arbeit und Arbeit
Auf sei’m Ausländerrücken
Heute wohn ich in der Schweiz
Und mein Deutschsein macht mich
weisser als ich bin
Ich bin jeden Tag schwarz
Und weiss das schon als Kind
Ich bin jeden Tag deutsch
Und verteidig’ das seitdem
Oder eigentlich: scheiss’ ich drauf seitdem
Ich könnte überall fremd sein
Und an vielen Orten zuhause
Nationalität ist Halskrampf oder Krause,
Krücke und ein bisschen Rasieröl
Beim Reisen
Doch sie ist süss die deutsche Vita
So wie Preiselbeeren an Schnitzel
So wie krebsrot in spanischer Hitze
So wie Knäckebrot oder Pizza
Diabolo
Sie ham uns viel zu knusprig angebraten
Und im Fleischwolf sind wir Hack
Mürbe
Machen sie uns, wie den Teig
Zappzarapp Zappzarapp unsre Zeit
Mein Name ist Ausländer
Und schon so oft falsch geschrieben worden,
Schwarz auf weissem Papier
Dass mir die Bäume leid tun, die
dafür gestorben sind.
Trotzdem sitz ich auf nem Ast
Ich, die für Geld über Rassismus schreiben darf
Doch es geht um Leben und Tod
Vergessen oder vergessen werden.
Hier, wo man erst ein Feuer machen muss,
Damit sie checken, dass es brennt
Benzin ist teuer
Und man weiss nie, wie weit man kommt
Wir schlagen weiter
Wurzeln
Und der Kampf hat lang begonnen
Ruhe in Frieden, Semra Ertan
Semra Ertan war eine Dichterin und Arbeitsmigrantin aus der Türkei, die mit fünfzehn Jahren mit ihren Eltern nach Deutschland gezogen ist. Sie arbeitete als ehrenamtliche Übersetzerin für andere Gastarbeiter*innen und schrieb viele Gedichte, die von ihrem Frust über Rassismus und die zunehmende Ausländerfeindlichkeit in Deutschland handelten. Im Mai 1982 trat sie in einen Hungerstreik, um auf die Situation von türkischen Gastarbeiter*innen in der BRD aufmerksam zu machen. Zwei Wochen später, an ihrem 25. Geburtstag, übergoss sie sich auf offener Strasse in Hamburg mit Benzin und zündete sich selbst an. Am Vortag hatte sie bei deutschen Radiosendern angerufen, ihr Gedicht «Mein Name ist Ausländer» zitiert und gefordert, dass Ausländer nicht nur das Recht haben sollten, wie Menschen zu leben, sondern auch wie Menschen behandelt zu werden. Das obige Gedicht ist eine Hommage und gleichzeitig eine Antwort an Ertan, vierzig Jahre nach ihrem Tod, in einer anderen Zeit und an einem anderen Ort.